Herbstwind 2018

Der BRK Kreisverband Rosenheim übt die Katastrophe, 271 Einsatzkräfte im Einsatz, 101 Personen gerettet, 8401 Einsatzstunden an zwei Tagen.

Am letzten Oktoberwochenende fand eine Großübung des Kreisverbandes Rosenheim statt und es schien, als sei wirklich jeder Rotkreuzler im Inntal unterwegs. Beinahe 250 Einsatzkräfte aus allen Gemeinschaften waren hoch motiviert am Samstagmorgen nach Neubeuern gekommen, um die BRK-internen Strukturen bei einer Großübung zu trainieren. Die Übung „Herbstwind 2018“, die ursprünglich als wasserwachsinterne Übung geplant war, konnte beginnen.
Schon seit Januar hatte die Übungsleitung der Kreiswasserwacht unter der Führung des Technischen Leiters Stephan Braun und seines Stellvertreters Philipp Seiwald geplant und organisiert.  Schon früh wurde klar, dass eine Übung nur für die Wasserwacht nicht realitätsnah genug war und so wurde die Übung auf alle Einheiten im BRK Kreisverband ausgeweitet und durch die Übungsleitung um Marco Laner, Norbert Pache und Amelie Guggenberger ergänzt. Das Ziel war nun klar definiert: Bei insgesamt sieben verschiedenen Szenarien sollten die Einsatzkräfte die fachdienstübergreifende Zusammenarbeit aus den BRK-internen Gemeinschaften üben. Der Schwerpunkt der Übung lag auf mehreren Unwetter- und Überschwemmungsszenarien. Alle Szenarien beruhten auf realen Einsätzen wie sie zum Teil 2013 in Stadt und Landkreis Rosenheim bzw. Deggendorf auftraten. Unterstützt wurden die Rosenheimer durch Wasserrettungseinheiten aus der Kreiswasserwacht Miesbach und der Wasserrettung Kufstein sowie die lokale Feuerwehr.
Einer der wohl anspruchsvollsten Einsätze war ein Szenario am Inn, nahe Nußdorf. Die Einsatzkräfte wurden zu einem Verkehrsunfall mit drei PKW gerufen. Ein Fahrzeug war in den Inn gefahren und zwei weitere hatten sich ineinander verkeilt. Durch die Feuerwehr wurden die Insassen aus ihren Fahrzeugen geschnitten und umgehend durch Bergwacht und Bereitschaft medizinisch versorgt. Die Insassen des versunkenen Fahrzeugs wurden durch Taucher der Wasserwacht gerettet und das Fahrzeug gegen Abtreiben gesichert. Durch diese Sicherung konnte es zudem wieder an Land gebracht werden. Die Bootseinheiten begannen zugleich mit der Suche einer Person und der Rettung von weiteren Personen, welche durch den Aufprall aus den Fahrzeugen geschleudert wurden und im Inn davontrieben.
Kaum hatten die Einsatzkräfte ihr Material und ihr Fahrzeuge klargemacht, ging es schon weiter. Nur wenige Kilometer stromaufwärts wurden die Rettungseinheiten zu einem vermeintlichen Busunfall gerufen. Die Herausforderung dieses Szenarios lag vor allem darin, dass Einheiten der Bergwacht und der Wasserwacht als erste am Einsatzort eintrafen, erst später rückten Rettungsdienst und Bereitschaften zur Unterstützung an. Zudem war die Einsatzstärke der Einheiten reduziert worden, was im Fall einer Katastrophenlage durchaus realistisch sein kann. Auch konnten die Einheiten dieses Mal nicht auf andere Hilfsorganisationen wie Feuerwehr oder THW hoffen. So mussten Führungskräfte der Bergwacht und der Wasserwacht eine Führungsstruktur aufbauen und ihre Kräfte für die Erstversorgung der teils schwer verletzten Insassen bündeln. Der Übungsleiter dieser Station, Andreas Rieger, zeigte sich beeindruckt. Vor allem die Ruhe, die Professionalität und die hohe Disziplin bei den Einsatz- und Führungskräften der einzelnen Einheiten fielen ihm positiv auf.
Bei den Szenarien „Lummerland“ (Evakuierung einer Inklusionswohnanlage am Thansauer Badesee), „Schlauchbootunfall“ (nahe Kiefersfelden), aber auch bei der Station „Tyroliene“ waren vor allem die Wasserrettungseinheiten stark gefordert. Zum Einsatz kamen alle verfügbaren Motorboote sowie die Rettungstaucher vor Ort. Die Sanitätsbereitschaften und Bergwacht hatten die Aufgabe die Wasserretter mit ihren Fachkenntnissen, ihrer Mannstärke und vor allem ihrer Ausrüstung bestmöglich zu unterstützen und auch zu sichern. Das Einsatzszenario „Tyroliene“ am Inn nahe Pfraundorf hatte gleich zwei Aufgaben für die anrückenden Einheiten: Der erste Einsatz war eine Deichsicherung, etwas zeitversetzt kam dann die zweite Alarmierung dazu: eine zeitkritische Evakuierung von neun Personen aus durch Überflutung bedrohtem Gebiet. Die Schwierigkeit bei diesem Szenario lag laut dem Übungsleiter Andreas Mehlhart vor allem in den beengten und eingeschränkten Zufahrtsmöglichkeiten zum Einsatzort. Die Ordnung des Raums und der Aufbau der Führungsstruktur sowie die gute Kommunikation zwischen den Einheiten, waren der Schlüssel zur erfolgreichen Bewältigung des Einsatzes.

Ähnliche Voraussetzungen gab es beim Szenario am Badesee in Thansau beim Hochwasserszenario „Lummerland“. Die Zufahrtswege waren mutmaßlich überflutet und somit nicht alle Fahrzeuge einsetzbar, so Übungsleiter Stephan Braun. Es war enorm wichtig Abschnitte zu bilden, gut zu kommunizieren und gemeinsam zu arbeiten. Laut Alarmierung hatten sich die Bewohner aufgrund des steigenden Wasserspiegels auf Hausdächer und Erhebungen geflüchtet. Dazu zählten auch drei Rollstuhlfahrer, welche durch eine Betreuerin auf eine Erhöhung evakuiert wurden und von den Rettern in Sicherheit gebracht werden mussten. Neben der Evakuierung der eingeschlossenen Personen, mussten weitere untergegangene Bewohner gesucht und geborgen werden. Besonders hilfreich war hier der Einsatz der Drohne der Bergwacht, die zur Sichtung des Geländes eingesetzt werden konnte.
Beim Schlauchbootunfall, der am Samstag in der Nacht stattfand, waren laut Einsatzmeldung zwei Boote auf dem Inn gekentert, weil sich Anwohner aus einem Hochwassergebiet retten wollten. Insgesamt 20 Opfer galt es zu finden und zu versorgen. Die besondere Herausforderung lag hierbei auf den beengten Verhältnissen des Einsatzorts, der Dunkelheit und dem einsetzenden Schneeregen, der sowohl den Opfern als auch den Einsatzkräften stark zusetzte.
Die Bergwacht war ein einem weiteren Einsatz die führende Einheit, einer Vermisstensuche im Mühltal nahe Nußdorf. Die Meldung lautete, dass eine 5-köpfige Familie nach einem Wanderausflug von Nußdorf Richtung Holzmann nicht mehr zurückgekehrt war. Auch bei diesem Einsatz, so Andreas Menzinger, Planer und Leiter der Station, funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Bergwacht und Rettungsdienst einwandfrei. Auch die Versorgung der Patienten, die Betreuung durch das KID Bergwacht sowie die Absicherung der Fahrstraße gegen Steinschlag waren professionell und realitätsnah.  
Alle Szenarien mit Ausnahme der Vermisstensuche in Mühltal wurden an den zwei Tagen jeweils zwei Mal durchgeführt und von unterschiedlichen Einheiten, zum Teil mit kleinen Abwandlungen, bewältigt. Am Sonntag zeigte sich dann schon ein erheblicher, sichtbarer Trainingseffekt. Philipp Seiwald, Übungsleiter an der Station „PKW im Wasser“ konnte das besonders deutlich beobachten: „[…] nachdem sich alle Einheiten zusammen gefunden hatten, wurde der Einsatz routiniert und diszipliniert abgearbeitet. Es war vor allem am zweiten Tag eine steile Lernkurve zu erkennen“. Die Einheiten hatten sich kennengelernt, wussten von den Stärken der einzelnen Komponenten und setzten diese zielgerichtet und professionell ein. Stephan Braun, Technischer Leiter der Kreiswasserwacht und Mitorganisator meinte, dass jeder seine Aufgabe gefunden hatte. Eine der zahlreichen Beobachter und Ehrengäste, Landesbereitschaftsleiter Michael Raut, bemerkte später in einem Post in den sozialen Medien „Die Abläufe geräuschlos, jeder an seinem Platz, Fachdienst bezogen hervorragende Leistungen. Das wurde zum ersten Mal so geübt, ausgesehen hat es wie schon 25jährige, reibungslose Zusammenarbeit.“ Ein Eindruck, den viele der insgesamt 28 Ehrengäste, die der Einladung des Kreisverbandes zu einem Besuch der Übung gefolgt waren, nur bestätigen konnten.
Eine wichtige Säule des Erfolgs der Übung stellte die Verpflegung dar. Diese wurde dich Verpflegungseinheiten der BRK Bereitschaften über das gesamte Wochenende sichergestellt. So vertilgten die hungrigen Einsatzkräfte insgesamt 1.150 Mahlzeiten, bestehend aus 65 kg Fleisch, 60 kg Gemüse, 35 kg Brot, 600 Semmeln, 600 l Warmgetränkte und 150 l Kaltgetränke.
Das Fazit der Übungsleitung war ebenso positiv. Die Übung verlief reibungslos und ohne Störungen, die Einheiten verfolgten Ihre Aufgaben zielorientiert und gewissenhaft. Das Übungsziel wurde erreicht und die Gemeinschaftlichkeit noch verstärkt. Auch neue Materialien und Einsatzmittel konnten geprobt und Neuerungen wie die Drohnen der Bergwacht oder die Hochwasserboote der Wasserwacht erfolgreich getestet werden. Ein wichtiges Fazit der Übung ist auch, dass es wichtig ist sich zu kennen. Die Übungsleitung empfiehlt daher weitere Treffen der Führungskräfte in regelmäßigem Abstand sowie weitere Übungen in ähnlichem Ausmaß. Zu guter Letzt, eine Einschätzung von Norbert Pache, Mitglied der Übungsleitung: „Ich glaube, dass an diesem Wochenende ziemlich eindrucksvoll die ‚Rotkreuzfamilie‘ zelebriert wurde. Es gab kein großes Gezanke und Geschrei, sondern nur ein harmonisches Miteinander“. Das ist sicher das beste Fazit, dass sich das Rote Kreuz für die Übung wünschen konnte. Wir danken allen Beteiligten.

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